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Radtouren

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Finnland im Sommer 1999

Finnland
Einer der vielen herrlichen Seen der mittelfinnischen Seenplatte

6.08.1999, Freitag, Mikkeli - Hillosensalmi (Tagebuchauszug)

Wie immer wecken um 7.00 Uhr. Heute früh können wir ein relativ entnässtes Zelt zusammenpacken. Um 9.20 Uhr radeln wir vom Platz. Nach der richtigen Straße müssen wir wieder ewig suchen, wie das in den großen Städten nun mal so ist. Alle Wege führen ins Nichts. Zwischendurch repariert Th. noch in einem Geniestreich meine Gangschaltung, die mal wieder gerade bei steilen Bergauffahrten streikt.

Nachdem wir fast 7 km in der Stadt verradelt haben, finden wir die gesuchte Straße 13/15. Entsetzen machte sich breit. Die Straße ist für Radfahrer echt lebensgefählich. Ein nicht abreißender Autoverkehr wälzt sich in Richtung Süden. Dazwischen immer wieder riesige LKW's - besonders die Holztransporter mit Anhänger sind beängstigend. Der Sog, der bei der Vorbeifahrt entsteht, kann einen Radler glatt in den Straßengraben wedeln. Todesmutig sürzen wir uns auf unsere 30 cm breite Radspur. Es ist total demoralisierend.

Dann fängt es auch noch an zu regnen. In Windeseile (hundertmal geübt in all den Jahren) ziehen wir unsere Regensachen an. Die Steigungen lösen einander ab und sind lang und steil. Die Abfahrten kann man auch nicht richtig ausfahren, unser Randstreifen ist nass und zu schmal. Und ständig der Verkehr in "greifbarer Nähe".

Um 11.30 Uhr unsere tägliche Müslipause. Wir suchen etwas Schutz unter der Überdachung eines Cafes, wegen unserer triefnassen Regensachen können wir natürlich nicht rein. Dafür gönnen wir uns eine heiße Schokolade, das wärmt ein bisschen durch. Und weiter geht's im Regen. Die Pause war nur kurz, man kühlt sonst zu schnell aus und fängt an zu frieren.

Endlich in Riistina abbiegen auf die Nebenstraße 368, haben erst ca. 20 km geschafft. Die Steigungen sind noch immer enorm, der Verkehr zwar weit weniger, aber dafür prasselt der Regen jetzt richtig los. Bei Kilometer 25 fahre ich rechts in einen Waldweg. Ich glaube, ich komme keinen Kilometer weiter - Pudding in den Knien. Th. versucht mich aufzurichten à bis Mäntyharja und da evtl. ein Zimmer nehmen, da es bis zum nächsten Campingplatz noch sehr weit ist. Also Mäntyharja als Nahziel, nur noch 25 km. Gleich geht es mir wieder besser. Nach ein paar Kilometern habe ich endlich meinen Rhythmus gefunden. Es radelt sich jetzt automatisch. Körper und Geist haben sich voneinander getrennt (siehe Anmerkung). Eine Weile später hauen wir uns im Stehen und im Regen an einem Sägewerk noch ein paar Kekse hinter.

Weiter zur Stadt, im Regen kommen wir an. Kaffee und Kuchen im Tankstellenkiosk. Das haben wir noch in keinem anderen Land erlebt. An jeder Tankstelle ist ein kleines sauberes Cafe. Die Weiterfahrt wird Th. von ein paar freundlichen Finnen ausführlich erklärt. Zuerst beratschlagen sie untereinander, welches der günstigst Weg für uns ist. Wir bekommen sogar einen Zettel mit genauer Wegbeschreibung. Von Hierbleiben ist keine Rede mehr. Wir wollen beide weiter. Die Pause hat gut getan. Als wir die Tankstelle verlassen, werden wir belohnt: der Regen hat endlich aufgehört. "Otto" (Geldautomat) und Verpflegung fassen in der Stadt, dann geht es mit frischen Kräften weiter. Ich erhalte das Versprechen, dass wir bei Regen eine Hütte nehmen oder wenigstens Essen gehen.

Es sollen noch ca. 30 km sein. Die ziehen sich dann auch noch ewig hin. Zwischendurch noch mal eine Kekspause. Jetzt radelt es sich wieder automatisch. Die letzten 6 km auf der abbiegenden 368 haben es noch einmal gewaltig in sich: steilste Auf - und Abfahrten. Bei Kilometer 85 frage ich mich, wo wir nach einem solchen Tag noch immer die Kraft hernehmen, zügig mir unseren 25 kg Gepäck die Berge hochzuradeln. Dafür werden wir aber noch einmal mit der ganzen Schönheit Finnland entschädigt. Rechts und links steile Felsen, von dichtem Wald bewachsen. Ab und zu der Blick auf einen einsamen See. Der Verkehr ist nicht mehr erwähnenswert. Jeder ist mit seinen Gedanken, der Straße und den Eindrücken des Tages allein.

Um genau 19.00 Uhr radeln wir ein à der Campingplatz entpuppt sich als Edelgaststätte mit Hotelli und angeschlossener Zeltwiese. Wir entscheiden uns für Zelt und Selberkochen (wäre sonst für uns zu teuer). Soviel zu den Versprechungen in Extremsituationen.

Die Sonne war seit ca. 10 km ab und zu mal zu sehen. Nach und nach hatten wir unsere Regensachen trockengeradelt. Auch das Zelt trocknet nach dem Aufbau schnell. Da meine Vorderradtaschen nicht wasserdicht sind, müssen die erst mal vor dem Zelt bleiben, damit auch noch das restliche Wasser rauslaufen kann. Dann erst mal duschen. Nach einem Riesentopf einer meiner "Eintopfkreationen" und einer Tasse heißem Tee geht es uns wieder prächtig und wir sind bereit für die Herausforderungen des nächsten Tages.

Wir sind an diesem Tag die längste Etappe in Finnland geradelt: 90,2 km

Anmerkung:

"Körper und Geist haben sich voneinander getrennt"
Das mag für manch einen erst mal sehr seltsam wenn nicht sogar verrückt klingen. Wer sich aber schon in Ausdauersportarten wie z. B. Trekkingtouren oder Marathonlauf versucht hat, der wird wissen, dass man sich in Gedanken alles Mögliche vorstellen kann, allen möglichen Fantasien nachhängen kann. Nur eins darf man nicht tun, wenn es besonders hart wird, man darf nicht an die augenglickliche Situation denken. Man muss total abschalten können, dann wird man es auch schaffen, denn meistens ist es nur eine Frage des Willens.Wer also was für seinen Willen tun möchte, der sollte sich unbedingt mit Ausdauersportarten beschäftigen. Eine tolle Hilfe, auch für andere Lebenssituationen.

Jane


Jane an unserem vorletzten Tag in Finnland am Strand von Suomenlinna

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