Ehe sie sich jedoch zu sehr in diese Vorstellung vertiefen konnte, rief sie ihr Kommunikator in die Realität zurück. Einerseits war sie froh über die Unterbrechung, da sie ja eigentlich wusste, dass diese Gedanken zu nichts führen konnten. Andererseits gab es da aber noch diese Redewendung: ,Was du in deinen Träumen nicht kriegst, kannst du auch im Leben abschrei-ben.'

Sie atmete tief aus, verscheuchte alle nicht zum Dienst gehörenden Gedanken, tippte auf ihren Kommunikator und meldete sich mit ihrem Namen.

"Captain!", erklang die aufgeregte Stimme des MHN, "ich habe soeben eine höchst beunruhi-gende Entdeckung gemacht. Bitte kommen Sie in die Krankenstation."

"Bin schon unterwegs", kam die Antwort .

Beim Weg über die Brücke ließ sie ihre Augen prüfend über ihre Offiziere schweifen. Alles schien in Ordnung. Bei Chakotay verweilte ihr Blick unbewusst etwas länger. Er gab diesen Blick zurück. Schnell wandte sie sich ab, als sie merkte, dass eine leichte Röte ihr Gesicht überzog (wohl noch eine Reaktion auf ihre Gedanken von vorhin).

,Das fehlt noch',dachte sie, ,dass ich rot werde, wenn mich mein Erster Offizier anschaut. Da kann ich mir ja gleich ein Schild um den Hals hängen, wo meine geheimsten Gedanken drauf-stehen.'

Kurze Zeit darauf betrat sie die Krankenstation, wo sie von einem aufs Äußerste beunruhigten Doktor emfangen wurde.

"Captain, es ist etwas Entsetzliches passiert", sprudelte es aus ihm heraus, "wir haben eine Epidemie an Bord."

"Eine Epidemie?",fragte Janeway besorgt. "Doktor beruhigen Sie sich, und dann erzählen Sie mir alles der Reihe nach."

"Also",begann der Doktor seine, wie immer weit ausholenden, Darlegungen, "es begann da-mit, dass Fähnrich Kim sich in seinem Quartier mit heißem Kaffee verbrühte. Ich sage ja im-mer, die Replikatoren dürfen nicht so heiße Getränke erzeugen. Aber auf mich hört ja keiner. Es ist ein Wunder, dass nicht schon längst etwas Ernstes passiert ist."

"Doktor", ermahnte ihn Janeway, "die Epidemie."

"Schon gut", fuhr der Doktor leicht irritiert fort. "Ich habe die Verbrühungen an seiner Hand mit dem Dermalgenerator behandelt. Es war weiter keine große Verletzung, obwohl es auch schlimmer hätte kommen können. Diese Replikatoren müssen unbedingt ..."

"Doktor!", in Janeways Stimme war deutlich ein warnender Unterton zu erkennen.

Des Doktors Gesicht legte sich in bekümmerte Falten ; wieder eimal wollte niemand seine Bedenken zur Kenntnis nehmen. Nun gut sie würden schon sehen,was sie davon haben.Und er durfte es dann wieder in Ordnung bringen, wenn etwas passierte.

"Wie gesagt die Hautirritation war schnell behandelt. Aber mit Erstaunen musste ich an-schließend zur Kenntnis nehmen, dass die neue Haut sich farblich von der restlichen Haut abhob. Es war mir anfangs gar nicht aufgefallen, dass der gesamte Fähnrich Kim einen leich-ten Stich ins Grüne hatte."

"Einen Stich ins Grüne?", fragte Janeway überrascht. Und im gleichen Augenblick fiel ihr die Tirilianische Farbe ein. Sie versuchte abzuwiegeln. "Aber wie kommen sie nur darauf, dass es sich um eine Epidemie handeln könnte. Sicherlich hat Fähnrich Kim eine einleuchtende Er-klärung dafür."

"Hat er eben nicht", triumphierte der Doktor. "Ich habe ihn daraufhin befragt, was er in letzter Zeit gegessen hat, wo er sich aufgehalten hat und mit welchen Personen er zusammen gewe-sen ist." Er sah den Captain auffordernd an. Sie tat ihm den Gefallen: "Ja und, was haben Sie herausgefunden?"

"Nahrung und Aufenthalt waren nichts Außergewöhnliches, aber bei dem Personenkreis mit dem Fähnrich Kim in den letzten Tagen Kontakt hatte, bin ich fündig geworden." Wieder machte er eine Pause, um die Wichtigkeit seiner Nachforschungen hervorzuheben.

Janeway durchbohrte ihn fast mit den Augen (soweit man ein Hologramm überhaupt durch-bohren konnte), worauf er schnell fortfuhr: "Es sind dies Lt. Torres, Lt.Paris sowie die Dela-ney Schwestern. Sie alle leiden an denselben Symptomen, d.h. sie haben eine leichte Grünver-färbung der Haut, für die sie keine Erklärung haben."

Hier bot sich doch noch einmal die Gelegenheit den fünf Jägern einen weiteren kleinen Denkzettel zu verpassen.

"Doktor, was sie herausgefunden haben, gibt mir wirklich zu denken. Es scheint sich da um eine sehr heimtückische Krankheit zu handeln. Meine Empfehlung wäre, die fünf erst einmal unter Qarantäne zu stellen."

"Daran habe ich auch schon gedacht.Ich werde die Qartiere zusätzlich mit einem Kraftfeld sichern, sodass jeder Kontakt mit anderen Personen vermieden wird."

"Tun sie das", bestätigte der Captain die Maßnahmen des Doktors. "Und informieren Sie mich, wenn sie etwas herausgefunden haben." Dann musste sie sich aber ganz schnell um-drehen, damit der Doc nicht ihr breites und schadenfrohes Grinsen sehen konnte.

***

Wieder auf der Brücke setzte sie sich in ihren Sessel. Es gab eigentlich absolut nichts zu tun. Die Voyager flog durch einen fast leeren Raum, die Vorräte waren auf einem guten Stand und die Stimmung an Bord war ausgeglichen (mal abgesehen von den fünf "Inhaftierten").

Mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit streckte sie die linke Hand zur Mittelkonsole aus, um ein paar Systeme zu überprüfen. In eben diesem Moment schien Chakotey die gleiche Idee zu haben. Über der Konsole berührten sich ihre Hände. War es Zufall? - War es Ab-sicht?

Noch vor wenigen Tagen wäre Kathryns Hand zurückgezuckt. Jetzt genoß sie es einfach, dass Chakotey mit seinen Fingerspitzen sanft über ihren Handrücken und ihre Finger strich. Dann lehnte er sich zurück, als wäre nichts geschehen. Sie saß noch immer vornübergebeugt und versuchte ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich lehnte auch sie sich in ihrem Sessel zurück und starrte zum Hauptschirm, obwohl es da überhaupt nichts Interessan-tes zu sehen gab.

In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Hoffentlich hatte es niemand auf der Brücke bemerkt. Besonders Tuvok's Aufmerksamkeit entging so schnell nichts. Andererseits wenn schon diese flüchtige Berührung sie so aus der Fassung brachte, was wäre dann, wenn ...... Nein, lieber nicht weiterdenken, oder vielleicht doch?

***

Inzwischen war der Doktor in der Krankenstation nicht untätig. Er hatte sich Harry Kim auf das Primäre Biobett beamen lassen und ein Kraftfeld um diesen Bereich errichtet. Er selbst ging ungehindert durch diese Sperre, während Harry sich offensichtlich in sein Schicksal ge-fügt hatte und klaglos auf dem Bett lag.

,Wenn bloß der Captain nicht erfährt, das wir eine Jagd auf ihrem Schiff veranstanstaltet ha-ben' ,war der einzige Gedanke der ihm durch den Kopf ging.

Auf einmal ein Knistern und Flackern des Kraftfeldes, und es war verschwunden.

Harry setzte sich auf. "Was ist passiert?", fragte er laut in die Richtung des Doktors.

"Mein lieber Fähnrich", sagte der Doc, "da hat sich anscheinend jemand einen ganz üblen Scherz mit Ihnen und Ihren Freunden erlaubt. Aber derjenige hat nicht mit einem Arzt meines Niveaus gerechnet. Um ehrlich zu sein, es bedurfte schon meiner umfassenden Kenntnisse, um dieser Herausforderung gerecht zu werden."

Harry sah den Doktor nur fragend an. Der wippte siegessicher auf den Zehenspitzen.

"Es war Tirilianische Farbe", verkündete er und wartete auf Harrys Reaktion. Die fiel jedoch ganz anders aus , als er erwartet hatte.

"Bitte verraten Sie es keinem", war das Allerletzte was der Doc zu hören erwartet hatte.

,Soviel zum Thema Dankbarkeit', dachte der enttäuschte Doktor. Laut sagte er: "Tut mir leid, aber ich habe die Anweisung des Captains, sie umgehend zu informieren, wenn ich zu einem Ergebnis gekommen bin."

"Na gut, können Sie mir dann wenigstens sagen, wer uns diesen Streich gespielt hat?"

"So weit bin ich noch nicht", gab der Doc widerstrebend zu, "dieser Witzbold hat seine Spu-ren gut verwischt. Aber glauben Sie mir, er hat sie auf keinen Fall so gut verwischt, dass ich nicht dahinter kommen würde.Wenn ich etwas erfahre, werde ich Sie benachrichtigen. Sie können jetzt gehen. Die Quarantäne Ihrer Freunde ist auch beendet"

Harry verließ die Krankenstation und machte sich schon immer mal darauf gefasst, schon bald dem Captain Rede und Antwort stehen zu müssen.

***

Der Rest des Tages war ereignislos verlaufen. Captain Janeway hatte erst eimal darauf ver-zichtet, die fünf "farbenfrohen Freunde" zu befragen. Das hatte noch Zeit bis zum nächsten Tag. Die "Jäger" sollten ruhig noch etwas zappeln.

Inzwischen war es 1920, eigentlich schon Dienstschluss, aber ein Captain hat nie Feierabend. Sie sah in ihrem Quartier noch Tuvok's Sichernheitsbericht durch.

Das Türsignal war eine willkommene Unterbrechung. Auf ihr "Herein" glitt die Tür auf und Chakotay stand vor ihr. Sofort merkte sie, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann und wie die ganze Kathryn Janeway unter Spannung zu stehen schien. Im gleichen Augenblick waren wieder diese Gedanken da.

Er strahlte sie an. "Darf ich reinkommen", fragte er, als sie überhaupt keine Anstalten machte, die Tür freizugeben. Sie trat einen Schritt zurück, gab den Weg in ihr Quartier frei. Wieder wirbelten die Gedanken durcheinander. ,Irgendetwas muss ich sagen', fuhr es ihr durch den Kopf, aber ihr fiel beim besten Willen nichts Sinnvolles ein.

Chakotay strahlte noch immer, als hätte er einen verspäteten Weihnachtsmann gesehen. Wortlos trat er zum Tisch und breitete dort ein Stoffstück aus. Kathryn trat neugierig näher, hatte er etwa noch ein Geschenk für sie?

Es war ein taubenblauer kleiner Tischteppich auf dem kunstvoll ein weißes CHAH-mooz-ee gstickt war.

"Sieht hübsch aus", sagte sie, um überhaupt etwa zu sagen.

"Warum so bescheiden?", fragte er lächelnd. "Ich habe mich sehr über Ihr Geschenk gefreut."

Verständnislos sah sie ihn an. Irgendetwas stimmte hier nicht.

"Wie kommen Sie darauf, dass diese Arbeit von mir sein könnte?", fragte sie schließlich.

"Ist es das nicht", Chakotay schien enttäuscht. "Aber Sie haben mir doch diesen Brief dazuge-schrieben." Er holte ein hellgrünes Blatt Papier heraus, das mit roter Tinte beschrieben war, und reichte es ihr.

Obwohl Kathryn sofort erkannte, dass es nicht ihre Schrift war, las sie den Brief. Schließlich wollte sie wissen, wer IHREM Chakotay schrieb.

"Lieber Chakotay,

alle guten Weihnachtswünsche nachträglich.

Ich hoffe,dass du etwas Freude an meinem Geschenk hast.

Deine gute Freundin ..."

"Ich weiß nicht wer Ihre gute Freundin ist oder wieviele Sie haben, aber weder Geschenk noch Brief stammen von mir", sagte sie kühl und Enttäuschung war in ihrem Gesicht und in ihrer Stimme zu erkennen.

Chakotay schien genauso überrascht wie Kathryn. "Nicht von Ihnen?", fragte er erstaunt, "aber ich dachte ...", mehr sagte er nicht,denn ihm wurde klar, was Kathryn nun von ihm den-ken musste.

Die nahm das Stück Stoff in die Hand und betrachtete es prüfend. "Es ist übrigends aus dem Replikator", sagte sie, "glauben Sie wirklich, dass ich so etwas nicht selbst anfertigen könn-te?"

Chakotay wusste gar nicht mehr, was er noch glauben sollte. Er rollte das CHAH-mooz-ee wieder zusammen und stand unschlüssig da. Was sollte er jetzt tun, um Kathryn wieder zu versöhnen.

Gerade waren sie sich etwas näher gekommen, da musste dieses Geschenk dazwischenkom-men.

"Ich habe wirklich keine Erklärung dafür, von wem das sein könnte", versuchte er eine Ent-schuldigung.

"Sie sind mir absolut keine Rechenschaft schuldig", antwortete Kathryn noch immer kühl.

"Ich werde dann jetzt gehen", sagte er, "ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend."

"Ja, gute Nacht", sagte sie mit nur mühsam aufrechterhaltener Beherrschung.

Als sich die Tür hinter ihm schloss, ließ sie sich auf ihre Kautsch fallen. ,Das war's dann also' dachte sie mit grenzenloser Enttäuschung, ,er hat sich nur lustig über mich gemacht. Bloß gut, dass ich es rechtzeitig gemerkt habe.'

Chakotay stand noch einen Moment auf der anderen Seite der Tür. Alles in ihm drängte da-nach, noch einmal zurückzugehen und ihr zu sagen, dass alles ein schreckliches Missver-ständnis sein musste, dass es keine andere Frau für ihn gab. Aber würde sie das in der jetzigen Situation glauben? Besser war es schon, erst herauszufinden, wer diese angeblich gute Freundin war.